Validierung eines Vorsorgeauftrags

Recht

23.11.2018

Mit einem Vorsorgeauftrag kann eine handlungsfähige Person vorausschauend festlegen, wer sie vertreten soll, wenn sie dazu nicht mehr in der Lage ist (z.B. aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit).

Der Vorsorgeauftrag kann erst dann wirksam werden, wenn die Person, die ihn abgeschlossen hat, tatsächlich urteilsunfähig geworden ist. Bei Annahme des Vorsorgeauftrags vertritt die beauftragte Person die auftraggebende Person im Rahmen des betreffenden Vorsorgeauftrags und hat ihre Aufgaben pflichtbewusst und sorgfältig wahrzunehmen.

Für die Inkraftsetzung des Vorsorgeauftrages – man spricht von der Validierung des Vorsorgeauftrages – ist die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zuständig. Um das Wohl und die Interessen der auftraggebenden, nun urteilsunfähigen Person zu wahren, sind der KESB verschiedene Aufgaben zugewiesen. So prüft sie im Fall eines Validierungsantrags, ob

  • der Vorsorgeauftrag gültig errichtet worden ist,
  • die betreffende Person tatsächlich urteilsunfähig geworden ist,
  • die beauftragte Person für ihre Aufgaben geeignet ist und willens, den Auftrag anzunehmen,
  • weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzes nötig sind.
     

Zusätzlich muss die KESB einschreiten, wenn die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet sind.

Vorgehen in der Praxis

Wie ist nun in der Praxis vorzugehen, wenn man befürchtet, eine Person sei nicht mehr urteilsfähig? Dazu gibt Frau Katja Kobel, Rechtsanwältin und Behördenmitglied der KESB Bern, Auskunft.

Von Graffenried Recht, Dominique Baumann:
Frau Kobel, wenn ich zum Beispiel das Gefühl habe, meine kinderlose, alleinstehende Tante sei sehr vergesslich geworden und die Befürchtung hege, dass sie nicht mehr urteilsfähig sei – was muss oder kann ich konkret als Erstes unternehmen?

Katja Kobel: Als Nichte trifft Sie keine Melde- oder Handlungspflicht. Sofern Sie aber feststellen, dass Ihre Tante unterstützungsbedürftig ist und ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen kann, wäre es sinnvoll, die zuständige KESB über Ihre Beobachtungen und das allfällige Vorliegen eines Vorsorgeauftrags zu informieren.

Und was ist anschliessend zu tun? Kann ich etwa ein Arztzeugnis kommentarlos bei der KESB einreichen?
Sobald die KESB eine Meldung über die allfällige Urteilsunfähigkeit und Schutzbedürftigkeit einer Person erhält, wird ein Erwachsenenschutzverfahren eröffnet. Die KESB wird Sie ersuchen, den Vorsorgeauftrag Ihrer Tante im Original einzureichen, bzw. beim Zivilstandsamt nachfragen, ob ein Hinterlegungsort eines Vorsorgeauftrags vermerkt ist. Sofern Sie über ein Arztzeugnis verfügen, ist es selbstverständlich dienlich, wenn Sie auch dieses einreichen.

Würde ein Arztzeugnis kommentarlos eingereicht, nähme die KESB sicherlich Kontakt zu Ihnen auf, um Rückfragen zu stellen. Daher ist es jeweils besser, die Situation der betroffenen Person in einem Brief kurz zu schildern (z.B. lebt die Person alleine oder in einer Partnerschaft, in der eigenen Wohnung oder in einem Pflegeheim, gibt es Personen, die sie unterstützen, in welchen Bereichen besteht ein Unterstützungsbedarf usw.).

Wie überprüft die KESB die Urteilsunfähigkeit?
Wenn die antragstellende Person nicht bereits ein Arztzeugnis mit dem Antrag einreicht, setzt sich die KESB Bern mit dem Hausarzt der betroffenen Person in Verbindung und holt bei diesem ein Arztzeugnis über die Urteils(un)fähigkeit ein. Sofern die betroffene Person über keinen Hausarzt verfügt, beauftragt die KESB Bern einen Arzt, der für die unabhängige Beschwerdestelle für das Alter (UBA) tätig ist, die Urteilsfähigkeit der betroffenen Person im Rahmen eines Hausbesuchs abzuklären.

Wie überprüft die KESB die Fähigkeiten der beauftragten Person?
Praxisgemäss holt die KESB Bern einen Betreibungsregister- und einen Strafregisterauszug über die beauftragte Person ein. Damit soll abgeklärt werden, ob die beauftragte Person nicht selbst überschuldet und damit wohl kaum geeignet ist, die Vermögensverwaltung der betroffenen Person ordnungsgemäss wahrzunehmen, und ob die beauftragte Person sich in der Vergangenheit Vermögensdelikte hat zu Schulden kommen lassen.

Weiter wird mit der beauftragten Person ein Telefongespräch oder ein persönliches Gespräch geführt, um die Eignung zu überprüfen und abzuklären, ob sie bereit ist, den Auftrag anzunehmen.

Erlässt die KESB anschliessend eine offizielle Verfügung, worin die Urteilunfähigkeit meiner Tante und die Fähigkeit der beauftragten Person festgehalten werden?
Die KESB stellt in einem Entscheid die Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags fest, sofern die dafür geltenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Weiter werden in diesem Entscheid die beauftragte Person sowie die ihr zukommenden Aufgaben genannt. Der beauftragten Person wird überdies eine Urkunde ausgestellt, welche die Vertretungsbefugnisse festhält.

Wie weit geht die Kontrollbefugnis der KESB nach erfolgter Validierung des Vorsorgeauftrages?
Grundsätzlich werden die Handlungen der beauftragten Person nicht durch die KESB überwacht. Die KESB geht davon aus, dass die betroffene Person im Rahmen der Selbstbestimmung und der eigenen Vorsorge jemanden aus dem eigenen Umfeld, dem sie vertraut, für die Personen- und Vermögenssorge einsetzen wollte und gerade keine einer Beistandschaft entsprechende Überprüfung durch die KESB gewünscht hat. Einzig wenn die KESB davon Kenntnis erlangt, dass die Interessen der betroffenen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind, schreitet sie ein.

Man hört häufig, dass ein Vorsorgeauftrag erstellt wird, um die «Mitwirkung oder Entscheidungsbefugnis der KESB oder eines amtlichen Beistandes» auf ein Minimum zu reduzieren. Wie sehen Sie das?
Der Vorsorgeauftrag ist ein vom Gesetzgeber geschaffenes Instrument der eigenen Vorsorge. Er ermöglicht den betroffenen Personen eine auf die eigene Situation massgeschneiderte, selbstbestimmte Lösung für den Fall einer eintretenden Urteilsunfähigkeit. Ich erachte den Vorsorgeauftrag als ein ausgezeichnetes Instrument, dessen Möglichkeiten in der Praxis jedoch bislang noch zu wenig ausgeschöpft werden. Ein Grossteil der Personen, die einen Vorsorgeauftrag verfassen, schreibt irgendein Muster ab, ohne genauer zu prüfen, inwiefern dieses auf die eigene Vermögensstruktur und die persönliche Situation angepasst werden kann oder gar sollte. Das ist schade, denn damit kann der Vorsorgeauftrag unter Umständen nicht validiert werden und es sind trotz der vermeintlich eigenen Vorsorge behördliche Massnahmen der KESB nötig.


Unsere Dienstleistung
Benötigen Sie Unterstützung bei der Erstellung eines Vorsorgeauftrags? Wir beraten Sie gerne. Damit Sie sicher sein können, dass in jedem Fall alles korrekt und Ihren Wünschen entsprechend abgewickelt wird.

Dominique Baumann-Stucki
dominique.baumann@graffenried.ch