Neues Verjährungsrecht ab 1. Januar 2020 – was ändert wirklich?
22.11.2019
Am 1. Januar 2020 wird das neue Verjährungsrecht in Kraft treten. Am 15. Juni 2018 hat das eidgenössische Parlament nach einer mehr als zehnjährigen Entstehungsgeschichte die Revision des privatrechtlichen Verjährungsrechts verabschiedet. Im Fokus der Diskussionen standen die Spätfolgen aus Asbestexposition und anderen gesundheitsschädigenden Bausubstanzen (Fall «Howald Moor») sowie die Probleme bei «geheimen» Baumängeln (Fall «Gretzenbach» vom 27. November 2004).
Im Zentrum der Gesetzesrevision steht vor allem die Verlängerung bestimmter Verjährungsfristen, um das Problem von Spätschäden zu beheben. Verzichtet wurde hingegen auf eine Anpassung der kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsfristen, da diese bereits per 1. Januar 2013 geändert worden sind. Im Weiteren werden auch Fragen der Verjährungshemmung, des Verjährungsverzichts und der Verjährungsunterbrechung teilweise neu geregelt.
Neue Verjährungsfristen
Heute beträgt die allgemeine relative Verjährungsfrist für die deliktische Haftung 1 Jahr und ab 1. Januar 2020 neu 3 Jahre. Die neue relative Verjährungsfrist von 3 Jahren, gerechnet von dem Tag an, an dem der Geschädigte vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, gilt für alle deliktischen Ansprüche, also nicht nur für die Haftung bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung, sondern beispielsweise auch bei Eigentumsverletzungen. Unterschiede bestehen künftig bei der absoluten Verjährungsfrist: Diese beträgt grundsätzlich weiterhin 10 Jahre. Lediglich bei Ansprüchen infolge Tötung und Körperverletzung wird diese auf 20 Jahre verlängert, um den Problemen bei Spätschäden – wie z.B. bei der Asbestose – Rechnung tragen zu können. Die Neuregelung zur Verjährung bei Tötung und Körperverletzung gilt im Übrigen nicht nur für das Deliktsrecht, sondern auch für das Vertragsrecht.
Zwecks Harmonisierung der Verjährungsfristen wurde die relative Verjährungsfrist für die ungerechtfertigte Bereicherung von bisher 1 Jahr auf 3 Jahre verlängert.
Verjährungshemmung
Die Parteien können neu vereinbaren, dass die Verjährung während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder eines anderen Verfahrens zur aussergerichtlichen Streitbeilegung nicht beginnt oder stillsteht. Diese sogenannte Verjährungshemmung ist neu, denn bis anhin war es den Parteien nicht möglich, dies zu vereinbaren. Für die Verjährungshemmung braucht es eine schriftliche, von den Parteien unterzeichnete Vereinbarung, in der genau angegeben sein sollte, von wann bis wann die Verjährung gehemmt sein soll, und welche Forderung bzw. welches Rechtsverhältnis von dieser Hemmung erfasst sein soll. Wichtig ist, dass ohne eine solche schriftliche Vereinbarung die Verjährungsfrist auch während Vergleichsgesprächen, Mediationsverfahren oder Streitbeilegungsgesprächen weiterläuft; ebenso wenig findet dann eine Verjährungsunterbrechung statt.
Verjährungsverzicht
Änderungen bestehen schliesslich beim Verjährungsverzicht, der in der Praxis grosse Bedeutung hat. Mit dem einseitigen Verjährungsverzicht des Schuldners lässt sich die Unterbrechung der Verjährung durch ein Schlichtungsgesuch, eine Klage oder Zustellung eines Zahlungsbefehls vermeiden. Neu definiert wurde nämlich das Verbot, im Voraus auf die Verjährung zu verzichten. Ab 1. Januar 2020 ist ein Verzicht erst ab Beginn der Verjährung möglich, und zwar für längstens 10 Jahre. Später dürfen weitere Verzichte für jeweils maximal 10 Jahre abgegeben werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es nicht immer klar ist, wann die Verjährung des fraglichen Anspruchs zu laufen beginnt, damit ein Verzicht überhaupt möglich ist. Hinzu kommt, dass ein Verzicht neu der Schriftform bedarf und vom Schuldner unterzeichnet werden muss. So genügt künftig eine gewöhnliche E-Mail ohne qualifizierte Signatur diesen Anforderungen nicht. Neu ist auch das Verbot, einen Verjährungsverzicht in Allgemeine Geschäftsbedingungen aufzunehmen, sofern nicht der Verfasser dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Verjährung verzichtet, sondern die Gegenpartei.
Verjährungsunterbrechung
Bei der Verjährungsunterbrechung erfolgt lediglich eine Änderung. Das Gesetz bestimmt nun, dass die Unterbrechung der Verjährung gegen einen Solidarschuldner oder den Mitschuldner einer unteilbaren Leistung nur dann auch gegen die übrigen Mitschuldner wirkt, wenn die verjährungsunterbrechende Handlung vom Gläubiger ausgeht. So unterbricht beispielsweise die Schuldanerkennung eines Solidarschuldners die Verjährung nur für diesen Solidarschuldner, nicht aber für die anderen.
Übergangsrecht
Das neue Recht ist ab 1. Januar 2020 anwendbar, und zwar auch bei noch laufenden Verjährungsfristen, sofern die neuen Fristen länger sind. Unter Berücksichtigung des Rückwirkungsverbots werden bereits abgelaufene Fristen (relative oder absolute) durch das neue Recht nicht berührt; abgelaufene Fristen leben also nicht wieder auf. Verjährungsverzichte, die unter dem bisherigen Recht abgeschlossen worden sind, bleiben auch unter dem neuen Recht gültig.
Christoph Zubler
christoph.zubler@graffenried.ch