Erweiterte Steuerplanungsmöglichkeiten bei privaten Liegenschaften

Treuhand

20.03.2020

Seit dem 1. Januar 2020 finden sich im Baukasten rund um die Steuerplanung bei privaten Liegenschaften zwei zusätzliche Werkzeuge zugunsten energiepolitischer Ziele: Einerseits werden neu auch Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneubau einkommenssteuerlich zum Abzug zugelassen, andererseits können die im Zusammenhang mit energiesparenden Investitionen getätigten Ausgaben (inkl. der vorerwähnten Rückbaukosten) auf die nachfolgenden zwei Kalenderjahre vorgetragen werden, sofern sie im Entstehungsjahr aufgrund eines zu tiefen Einkommens nicht vollständig zum Abzug gebracht werden konnten («Abzugsvortrag»). Es gilt jedoch zu beachten, dass das Instrument des Abzugsvortrags nicht in jedem Fall zu einem steueroptimierten Ergebnis führt.

Überblick
Basierend auf der Verordnung über die Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungskosten von Grundstücken des Kantons Bern (VUBV), können die im Bereich der Liegenschaftskosten aktuell gültigen Bestimmungen für privat gehaltene Immobilien vereinfacht wie folgt dargestellt werden (die Neuerungen per 1. Januar 2020 sind blau hinterlegt):

Wie bereits bisher steht es den Steuerpflichtigen frei, anstelle der effektiven Kosten einen Pauschalabzug geltend zu machen (10 % des Bruttogebäudeertrags bzw. Eigenmietwerts bei Gebäuden bis zu einem Alter von 10 Jahren, 20 % bei Gebäuden älter als 10 Jahre). Mit dem Pauschalabzug sind grundsätzlich sämtliche der vorstehend aufgeführten Kosten abgedeckt. Hiervon ausgenommen sind einzig die Liegenschaftssteuern und Baurechtszinsen, diese können zusätzlich zum Pauschalabzug geltend gemacht werden. Der Pauschalabzug ist ausgeschlossen für Immobilien mit vorwiegend geschäftlicher oder gewerblicher Nutzung.

Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneubau
Der ausserfiskalisch motivierte Abzug des Energiesparens und Umweltschutzes umfasst seit dem 1. Januar 2020 neu auch die Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneubau. Aus steuerlicher Sicht sind die Begriffe «Rückbau» und «Ersatzneubau» für die Verwaltungspraxis zu definieren. Entsprechende Umschreibungen finden sich in der Liegenschaftskostenverordnung für die direkte Bundessteuer und – in identischer Weise – in der VUBV für die Kantons- und Gemeindesteuern Bern.

Demnach qualifizieren als abzugsfähige Rückbaukosten die folgenden vier Aktivitäten:
a. Demontage von Installationen
b. Abbruch des vorbestehenden Gebäudes
c. Abtransport des aus dem Rückbau resultierenden Bauabfalls
d. Entsorgung des auf den Rückbau zurückzuführenden Bauabfalls

Bei der Einkommenssteuer nicht abzugsfähig sind die Kosten von Altlastensanierungen des Bodens, Geländeverschiebungen, Rodungen, Planierungsarbeiten oder Aushubarbeiten im Hinblick auf den Ersatzneubau. Steuerpflichtige, die Rückbaukosten zum Abzug bringen wollen, haben der Steuerbehörde die entsprechenden Aufwendungen in einer separaten Abrechnung gegliedert nach den vorstehend aufgeführten Aktivitäten a. bis d. auszuweisen.

Rückbaukosten sind jedoch nur dann abzugsfähig, wenn sie im Hinblick auf die Erstellung eines Ersatzneubaus anfallen. Konkret bedeutet dies:

  • Der Ersatzneubau muss auf demselben Grundstück wie das vorbestehende Gebäude und durch dieselbe steuerpflichtige Person innert einer angemessenen Frist (grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren) realisiert werden.
  • Das vorbestehende Gebäude und der Ersatzneubau müssen eine gleichartige Nutzung aufweisen. Eine gleichartige Nutzung liegt vor, wenn vorbestehende beheizte/klimatisierte Wohngebäude oder gemischt genutzte Bauten (Vereinigung von Wohnen und Gewerbe im selben Gebäude) durch ebensolche Gebäude ersetzt werden. Keine gleichartige Nutzung liegt beispielsweise vor, wenn ein unbeheiztes Gebäude (z.B. Scheune) oder ein vormals ausschliesslich gewerblich genutztes Gebäude (z.B. Lagerraum) durch ein Wohngebäude ersetzt wird.

 

Abzugsvortrag
Ein absolutes Novum in der Besteuerung von Privatpersonen ist die Einführung eines Abzugsvortrags: Seit dem 1. Januar 2020 können Aufwendungen im Zusammenhang mit energetischen Massnahmen (einschliesslich Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneubau) neu auf die nachfolgenden zwei Kalenderjahre vorgetragen werden, sofern sie im Entstehungsjahr aufgrund eines zu tiefen Einkommens nicht vollständig zum Abzug gebracht werden konnten. Ausgangslage für die Ermittlung eines allfälligen Abzugsvortrags ist das sogenannte Reineinkommen, das heisst das steuer-bare Einkommen vor den Sozialabzügen. Beispiel: Im Kalenderjahr 2020 beläuft sich das steuerbare Einkommen auf CHF 80‘000 (vor Energiesparmassnahmen), das Reineinkommen auf CHF 95‘000 (vor Energiesparmassnahmen) und die Energiesparmassnahmen auf CHF 120‘000; es verbleibt ein vortragbarer Abzug von CHF 25‘000 (CHF 120‘000 abzüglich CHF 95‘000), der vom steuerbaren Reineinkommen des Kalenderjahres 2021 in Abzug gebracht werden kann. Der Abzugsvortrag verfällt, wenn innerhalb der Vortragsperiode der Pauschalabzug geltend gemacht wird. Bei Verkauf, Schenkung oder Erbvorbezug verbleibt die Abzugsfähigkeit von noch nicht verrechneten Kosten beim bisherigen Eigentümer. Stirbt der bisherige Eigentümer, soll gemäss Praxis des Kantons Bern der Abzugsvortrag nicht auf die Erben übertragen werden.

Gedanken zur Steueroptimierung
Häufig werden bei grösseren baulichen Massnahmen die entsprechenden Arbeiten – sofern möglich – aus steuerplanerischer Sicht jahresübergreifend zum Beispiel von September bis März ausgeführt. Die im ersten Kalenderjahr effektiv erbrachten und klar abgrenzbaren Bauarbeiten werden seitens der Bauhandwerker bereits im ersten Kalenderjahr im Rahmen einer Teilrechnung fakturiert. Die im nachfolgenden Kalenderjahr ausgeführten Arbeiten werden dann in einer zweiten Rechnung, der Schlussrechnung, erfasst. Durch diese Vorgehensweise können die steuerlichen Abzüge auf zwei Steuerperioden aufgeteilt und dadurch die bei der Einkommenssteuer wirkende Progression für die entsprechenden Kalenderjahre gebrochen werden. Ungeachtet des neuen Instruments des Abzugsvortrags sollte diese Möglichkeit zur Steueroptimierung auch zukünftig frühzeitig in Betracht gezogen werden. Im vorgehend erwähnten Beispiel (Reineinkommen von CHF 95‘000, Energiesparmassnahmen von CHF 120‘000) wäre es steuerlich demzufolge vorteilhafter, die Bauarbeiten und Kosten möglichst gleichmässig auf zwei Jahre, hier auf die Jahre 2020 und 2021, aufzuteilen, anstelle sämtliche baulichen Massnahmen und Kosten in einem Jahr, hier 2020, anfallen zu lassen und so den Abzugsvortrag in Anspruch nehmen zu müssen.

Ebenfalls im Sinne einer vorausschauenden Steuerplanung ist zudem die politische Diskussion rund um die Besteuerung von selbstbewohntem Wohneigentum im Auge zu behalten. Sollte die Eigenmietwertbesteuerung abgeschafft werden, besteht das Risiko, dass auch die Abzüge im Bereich des Energiesparens ganz oder teilweise aufgehoben werden. Vor diesem Hintergrund könnte es sich aus steuerlicher Sicht lohnen, grössere Sanierungsarbeiten eher früher als später an die Hand zu nehmen. 

Franziska Spreiter
franziska.spreiter@graffenried-treuhand.ch