Reform der Ergänzungsleistungen – betrifft mich das?
19.11.2020
Ab dem 1. Januar 2021 haben Parlament und Bundesrat eine Verschärfung erlassen, wonach das eigene Vermögen künftig vermehrt in die Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen einbezogen wird.
Worum geht es?
Seit über 50 Jahren sind Ergänzungsleistungen zur AHV/IV Teil der sozialen Vorsorge in der Schweiz. Auf entsprechende Leistungen besteht ein Rechtsanspruch, sofern die Einkünfte (inklusive Vermögensverzehr) für den Lebensunterhalt nicht ausreichen. Dies konnte bisher selbst bei guten finanziellen Verhältnissen eintreffen, sobald überdurchschnittlich hohe Pflegekosten anfielen.
Doch damit dürfte ab dem 1. Januar 2021 Schluss sein: Parlament und Bundesrat haben eine Verschärfung erlassen, wonach das eigene Vermögen künftig vermehrt in die Berechnung des Leistungsanspruchs einbezogen wird. Im Extremfall müssen gar rechtmässig bezogene Ergänzungsleistungen später von den Erben zurückbezahlt werden.
Was ändert sich ab dem 1. Januar 2021?
Drei Änderungen der Reform werden nachfolgend näher beleuchtet:
Einführung einer Vermögensschwelle
Wer über ein Reinvermögen von mehr als CHF 100‘000 (Alleinstehende) bzw. CHF 200‘000 (Verheiratete) verfügt, hat künftig von vornherein keinen Anspruch mehr auf Ergänzungsleistungen. Es wird also eine sogenannte «Vermögensschwelle» eingeführt. Wichtig zu wissen: Selbstbewohntes Eigentum wird nicht zum Reinvermögen hinzugerechnet. Besteht das Vermögen also hauptsächlich aus dem Eigenheim, so können für Pflegekosten eines Ehegatten grundsätzlich weiterhin Ergänzungsleistungen beantragt werden.
Übermässiger Vermögensverbrauch gilt als Vermögensverzicht
Vermögen, auf welches freiwillig und ohne Gegenleistung verzichtet wird (also beispielsweise durch Schenkung), wird schon bisher bei der Anspruchsberechtigung mitberücksichtigt. Konkret wird dieses Vermögen in die Berechnung der Ergänzungsleistung mit einberechnet, wie wenn es noch vorhanden wäre. Neu ist dieser Katalog der Hinzurechnung von Vermögen erweitert worden um Vermögensverbrauch, «… ohne dass ein wichtiger Grund dafür vorliegt.» Es gelten folgende zulässige Höchstwerte:
• Vermögen unter CHF 100‘000 = Verbrauch von maximal CHF 10‘000 jährlich
• Vermögen über CHF 100‘000 = Verbrauch von maximal 10 % des Vermögens jährlich
Was gilt nun als «wichtiger Grund»? Gemäss der bundesrätlichen Ausführungsverordnung fallen darunter etwa der Werterhalt von Liegenschaften oder Krankheits- bzw. Behinderungskosten. Sicherlich nicht dazu gehören dürften also beispielsweise Ausgaben für Ferien oder Luxusgüter. Das bedeutet konkret: künftig werden nicht nur Schenkungen, sondern teilweise auch der Vermögensverbrauch bei der Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen hinzugerechnet. Dies gilt übrigens bereits für den Zeitraum von 10 Jahren vor dem Erreichen des ordentlichen AHV-Alters.
Rückerstattungspflicht der Erben
Bisher galt der Grundsatz: rechtmässig bezogene Sozialleistungen, also auch Ergänzungsleistungen, müssen nicht zurückbezahlt werden. Neu können die Erben in die Pflicht genommen werden. Soweit das Nachlassvermögen mehr als CHF 40‘000 beträgt, sind die in den letzten 10 Jahren ausgerichteten Ergänzungsleistungen zurückzuzahlen. Immerhin gilt bei Verheirateten, dass die Rückzahlung durch die Erben erst nach dem Tod des zweiten Ehegatten zu erfolgen hat.
Was kann das für mich bedeuten?
Nachdem die Kosten für die Ergänzungsleistungen in den vergangenen Jahren merklich gestiegen sind, wollte der Gesetzgeber die eigenverantwortliche Vorsorge wieder stärker betonen. Erreicht werden soll dies nach dem althergebrachten Sprichwort «Spare in der Zeit, so hast du in der Not». Mit anderen Worten: Das angesparte Vermögen soll künftig wieder vermehrt als Altersvorsorge dienen. Ein übermässiger Vermögensverbrauch (pro Jahr mehr als 10 % des Vermögens) wird neu als freiwilliger Vermögensverzicht den Anspruch auf Ergänzungsleistungen mindern. Dies gilt wie bis anhin ebenfalls für lebzeitige Schenkungen und Erbvorbezüge.
Eine vorausschauende Planung und Bewirtschaftung des eigenen Vermögens bleibt damit auch künftig eine bedeutungsvolle Herausforderung. Gerne unterstützen Sie die Spezialisten der Von Graffenried Gruppe dabei.
Markus Schärer, Rechtsanwalt und Notar
markus.schaerer@graffenried-recht.ch