Neuerungen im Arbeitsrecht: Verbesserungen der Vereinbarkeit von Beruf und familiären Pflichten

Recht

19.11.2021

Im Verlaufe des Jahres 2021 sind im Arbeitsrecht verschiedene neue Bestimmungen in Kraft getreten, die zum Ziel haben, die Vereinbarkeit von Beruf und familiären Pflichten zu verbessern. Eingeführt wurden der Vaterschaftsurlaub, die bezahlte Freizeit zur Betreuung von Angehörigen und der Betreuungsurlaub für Eltern von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern.

Neuerungen im Arbeitsrecht: Verbesserungen der Vereinbarkeit von Beruf und familiären Pflichten

 

Vaterschaftsurlaub
 

Seit dem 1. Januar 2021 gibt es in der Schweiz den Vaterschaftsurlaub. Arbeitnehmer haben neu Anspruch auf einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub (Art. 329g OR). Dieser ist innert 6 Monaten nach der Geburt entweder wochen- oder tageweise zu beziehen. Der Vaterschaftsurlaub besteht zusätzlich zu den «normalen» Ferien des Arbeitnehmers.

Der Vaterschaftsurlaub wird über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert, und zwar weitgehend in ähnlicher Weise wie der Mutterschaftsurlaub. Die Auszahlung erfolgt in Form von Taggeldern. Diese entsprechen 80 % des durchschnittlichen Erwerbseinkommens und sind zurzeit auf CHF 196 pro Tag begrenzt. Die Entschädigung wird an den Arbeitgeber ausbezahlt, wenn dieser dem Arbeitnehmer den Lohn während des Vaterschaftsurlaubs weiterhin bezahlt; ansonsten wird die Entschädigung dem Arbeitnehmer direkt ausgerichtet.

Der Anspruch auf die Entschädigung hängt von drei Voraussetzungen ab:

• Erstens muss der Arbeitnehmer der rechtliche Vater des Kindes sein (kein Anspruch auf die Entschädigung besteht bei einer Adoption).

• Zweitens muss der Vater zum Zeitpunkt der Geburt erwerbstätig sein, und zwar als Arbeitnehmer oder als Selbständigerwerbender.

• Drittens muss der Vater in den neun Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes obligatorisch bei der AHV versichert gewesen sein und in dieser Zeit während mindestens fünf Monaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben.

Der neue Vaterschaftsurlaub hat unter Umständen auch Auswirkungen auf Kündigungen durch den Arbeitgeber. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und hat der Arbeitnehmer bei Ende des Arbeitsverhältnisses noch einen Urlaubsanspruch, so wird die Kündigungsfrist um die noch nicht bezogenen Urlaubstage verlängert (Art. 335c Abs. 3 OR).
 

Bezahlte Freizeit zur Betreuung von Angehörigen
 

Ebenfalls per 1. Januar 2021 ist die Bestimmung zur bezahlten Freizeit von Arbeitnehmenden zur Betreuung von Angehörigen in Kraft getreten (Art. 329h OR). Neu haben Arbeitnehmende Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist. In diesem Fall beträgt der Urlaub drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr; für die Betreuung von Kindern gilt nur die Beschränkung von maximal 3 Tagen pro Ereignis, nicht jedoch diejenige von höchstens zehn Tagen pro Jahr (Art. 36 Abs. 4 Arbeitsgesetz [ArG]). Der Arbeitnehmende hat das Vorliegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung nachzuweisen, und der Arbeitgeber darf ein ärztliches Zeugnis verlangen (Art. 36 Abs. 3 ArG).
 

Bezahlter Betreuungsurlaub von Eltern gesundheitlich schwer beeinträchtigter Kinder
 

Seit dem 1. Juli 2021 gibt es einen Betreuungsurlaub der Eltern für die Betreuung eines wegen Krankheit oder Unfall schwer beeinträchtigten Kindes von maximal 14 Wochen (Art. 329i OR). Vorausgesetzt wird, dass das Kind bei Eintritt der Krankheit oder des Unfalls jünger als 18 Jahre ist und die gesundheitliche Beeinträchtigung durch ein Arztzeugnis belegt wird. Nicht jede gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes berechtigt zu einem Betreuungsurlaub; verlangt wird vielmehr eine schwere Beeinträchtigung und es müssen kumulativ die folgenden Bedingungen vorliegen:

• Erstens ist eine einschneidende Veränderung des körperlichen oder psychischen Zustandes des Kindes eingetreten.

• Zweitens ist der Verlauf dieser Veränderungen schwer voraussehbar, oder es besteht das Risiko einer bleibenden oder zunehmenden gesundheitlichen Beeinträchtigung, oder es ist gar mit dem Tod zu rechnen.

• Drittens besteht ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern.

• Viertens muss mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen.

Pro Krankheitsfall bzw. Unfallereignis besteht nur ein Anspruch auf Betreuungsurlaub und dieser ist innerhalb der 18-monatigen Rahmenfrist entweder am Stück oder tageweise zu beziehen. Der Betreuungsurlaub wird – wie der Vaterschaftsurlaub – über die EO finanziert und die Entschädigung wird in Taggeldern ausbezahlt.

Der Betreuungsurlaub hat zudem Auswirkungen auf Kündigungen durch den Arbeitgeber. Nach Ablauf der Probezeit gilt während des Betreuungsurlaubs, aber während maximal sechs Monaten ab Entstehung des Taggeldanspruchs, eine Sperrfrist (Art. 336c Abs. 1 lit cbis OR). Kündigt der Arbeitgeber während dieser Sperrfrist, ist die Kündigung nichtig. Kündigt der Arbeitgeber vor Beginn der Sperrfrist, tritt diese aber während der Kündigungsfrist ein, so verlängert sich die Kündigungsfrist um die Dauer der Sperrfrist.

 

Christoph Zubler
Rechtsanwalt und Notar (SO), LL.M.,
Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht
Managing Partner