Neues Aktienrecht 2020 – ausgewählte Aspekte für KMU

Recht

18.11.2022

Nach einem langwierigen Reformprozess tritt am 1. Januar 2023 ein wesentlich revidiertes Aktienrecht (Aktienrecht 2020) in Kraft, welches das Parlament am 19. Juni 2020 verabschiedet hat.

Nach einem langwierigen Reformprozess tritt am 1. Januar 2023 ein wesentlich revidiertes Aktienrecht (Aktienrecht 2020) in Kraft, welches das Parlament am 19. Juni 2020 verabschiedet hat. Das neue Recht enthält neben zahlreichen Neuerungen, die nur börsenkotierte oder Grossaktiengesellschaften betreffen (z. B. die Einführung einer Ziel-Geschlechterquote in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung), auch Änderungen von bereits bestehenden Normen, die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben. Die Gesetzesrevision betrifft unter anderem folgende Themen:
 
• das Kapital
• die Generalversammlung
• die Erweiterung des Katalogs von wichtigen Beschlüssen der
Generalversammlung
 
Kapital
Das neue Recht hält am bisherigen Konzept der Aktiengesellschaft als einer Gesellschaft mit einem festen Grundkapital fest. Auch muss das Aktienkapital weiterhin mindestens CHF 100'000 betragen. Künftig müssen Aktien weiterhin einen Nennwert haben, dieser muss aber lediglich «grösser als null» sein. Dies erlaubt beliebige Aktiensplits. Im Weiteren wird die Kapitalbasis flexibler ausgestaltet, indem neu ein Kapitalband eingeführt wird. Mit diesem kann der Verwaltungsrat ermächtigt werden, während maximal 5 Jahren innerhalb einer von der Generalversammlung bestimmten Bandbreite nicht nur das Kapital zu erhöhen, sondern auch herabzusetzen. Die obere Grenze des Kapitalbands darf das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital höchstens um die Hälfte übersteigen und die untere Grenze darf dieses höchstens um die Hälfte unterschreiten. 
 
Neu können die Rechnungslegung und die Buchhaltung in einer ausländischen Währung erfolgen, falls dies die wesentliche Währung der Geschäftstätigkeit ist. Auch das Aktienkapital kann neu in einer ausländischen Währung denominiert sein. Der Bundesrat hat bestimmt, welche ausländischen Währungen zugelassen sind, z. B. Euro, USD, GBP.
 
Mit dem neuen Recht werden die bisherigen Bestimmungen zur (beabsichtigten) Sachübernahme bei der Gründung oder bei Kapitalerhöhungen aufgehoben. Neu ist die Verrechnungsliberierung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft auch zulässig, wenn die Forderung nicht mehr durch die Aktiven gedeckt ist.
 
Generalversammlung
Das revidierte Recht erlaubt neue Formen der Durchführung der Generalversammlung. Neu kann die Generalversammlung virtuell (gänzlich ohne physische Präsenz, vollständig digital) oder hybrid (Tagung vor Ort, wobei nicht anwesende Aktionäre virtuell teilnehmen können) durchgeführt werden. Die virtuelle Generalversammlung bedingt eine entsprechende Statutenbestimmung und setzt hohe technische Anforderungen voraus, um die Mitwirkungsrechte der Aktionäre zu ermöglichen und zu gewährleisten. Die Durchführung einer hybriden Generalversammlung kann vom 
Verwaltungsrat angeordnet werden, es sei denn, die Statuten verbieten dies. Bei der hybriden Generalversammlung gelten die gleichen hohen technischen Anforderungen wie bei der virtuellen Generalversammlung.

Bei Universalversammlungen können neu Beschlüsse auch auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form gefasst werden, wobei jeder Aktionär eine mündliche Beratung verlangen und so einen Mehrheitsbeschluss auf dem schriftlichen Weg oder in elektronischer Form verhindern kann.

Sehen die Statuten einer nicht börsenkotierten Gesellschaft vor, dass sich ein Aktionär nur durch einen anderen Aktionär vertreten lassen kann, kann jeder Aktionär vom Verwaltungsrat verlangen, dass ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter oder ein Organvertreter bezeichnet wird.

Verschiedene im Gesetz definierte Schwellenwerte für die Geltendmachung von Minderheitenrechten im Zusammenhang mit der Generalversammlung werden herabgesetzt. Bei nicht kotierten Gesellschaften haben Aktionäre und Aktionärinnen mit 10 % des Aktienkapitals oder der Stimmen das Einberufungsrecht und jene mit 5 % das Traktandierungsrecht.

Erweiterung des Katalogs von wichtigen Beschlüssen der Generalversammlung
Der in Art. 704 OR enthaltene Katalog von sogenannten wichtigen Beschlüssen, die für ihre Gültigkeit eine Mehrheit von mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und eine Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte bedürfen, wurde mit dem neuen Recht stark erweitert. Neu brauchen ab 1. Januar 2023 von Gesetzes wegen 16 Beschlüsse das qualifizierte Mehr, etwa über Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen oder durch Verrechnung mit einer Forderung, die Einführung eines Kapitalbandes, den Wechsel der Währung des Aktienkapitals und die Einführung des Stichentscheides des Vorsitzenden in der Generalversammlung. 

Fazit & Handlungsbedarf 
Dieser nicht abschliessende Überblick über ausgewählte Neuerungen zeigt, dass das Aktienrecht nicht komplett umgekrempelt, aber doch erheblich geändert und modernisiert wird. Der Gesetzgeber hat eine Übergangsfrist von 2 Jahren vorgesehen, innert der die bestehenden Statuten an die neue Rechtslage angepasst werden müssen. Diese Frist ist eher knapp bemessen, so dass die Überprüfung von Statuten und Reglementen nicht auf die lange Bank geschoben werden sollte. Unsere Juristinnen und Juristen stehen Ihnen dabei selbstverständlich gerne zur Seite.