Sanierung Holländerturm erfolgreich abgeschlossen
13.03.2025
Von Graffenried Bissig Architekten AG haben im vergangenen Jahr den geschichtsträchtigen Holländerturm am Waisenhausplatz in Bern saniert. Dies mit dem Ziel, der historischen Ausstattung ebenso viel Aufmerksamkeit entgegenzubringen wie der baulichen Weiterentwicklung.
Woher der Holländerturm seinen Namen hat
«Holländerturm» – das ist wahrlich ein sonderbarer Name für ein Bauwerk, das im Zentrum der Stadt Bern steht. Was hat Holland mit der 800-jährigen Stadt an der Aare zu tun? Eigenartig ist auch das Aussehen des Gebäudes. Wo üblicherweise ein hohes Sattel- oder Mansarddach das Haus abschliesst, sitzt auf der ausgebuchteten Fassade ein eckiger und doch filigran wirkender Fachwerkaufbau. Hinter diesem Aufsatz verbirgt sich ein Turmzimmer. Und in diesem Turmzimmer liegt just das Geheimnis verborgen, das dem Turm seinen Namen gab. In dieser Stube pflegten sich gewisse Herren aus edlen Kreisen zurückzuziehen, um ein Pfeifchen Tabak zu rauchen. Einige dieser Noblen hatten als Offiziere in Holland gedient und dort das Rauchen kennengelernt. Im von puritanischen Lebenssitten geprägten Bern war diese neue Mode nicht gerne gesehen; wer beim Rauchen in der Öffentlichkeit erwischt wurde, hatte mit einer Geldbusse oder gar Gefängnisstrafe zu rechnen. Die Heimlichkeit des Turmzimmers war also nötig. Das Bild der Turmstube, aus der oft bis spät in die Nacht hinein Rauch gestiegen ist, blieb in der Erinnerung einiger geschichtsbewusster Berner bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Sie nannten den legendären Bau einfach Holländerturm. (Quelle siehe Artikelende)
Geschichte und Transformationen
Der Holländerturm wurde um 1256 als mittelalterlicher halbrunder Wehrturm mit Scharten- und Zinnenkranz als Teil der zweiten Stadtbefestigung erbaut. Im Laufe der Zeit durchlebte der Holländerturm mehrere Transformationen. Der halbrunde Wehrturm ist jedoch bis heute erhalten geblieben. Erst um 1680 erhielt der Holländerturm mit dem Fachwerkaufbau mit Zeltdach seine heutige Gestalt. Später wurden die Rückfassade und das Innere des Wehrturms weiter ausgebaut. Der im Laufe der Zeit baufällig gewordene Holländerturm wurde 1975/76 tiefgreifend saniert.
Damals wurde die Gebäudestruktur vollständig entkernt und das Hinterhaus um ein Geschoss aufgestockt. Aus den 70er Jahren stammte auch die mittlerweile an ihrem Lebensende angelangte Haustechnik. Dies führte zum Entscheid, den Holländerturm im Jahr 2024 zu sanieren.
Nutzung
Der Holländerturm hat insgesamt neun Stockwerke. Davon befinden sich drei Geschosse unter Terrain und sechs Geschosse über Terrain. Im Zuge der Sanierung wurden in einer ersten Etappe die beiden eigenständigen Ladenlokalitäten im Erdgeschoss zusammengelegt. Die frei gewordene Fläche im 1. Obergeschoss wurde zu einem Büro mit neuer Nasszelle umgenutzt. In den beiden darüber liegenden Geschossen befinden sich drei kleine, charmante Studiowohnungen. Die obersten Geschosse mit dem Turmzimmer werden weiterhin von der Von Graffenried Gruppe für Kundenanlässe genutzt.
Haustechnik
Die Ermittlung der bestehenden Leitungsführungen im Holländerturm erforderte viel Detektivarbeit. Anhand von historischen Plänen, alten Fotografien, Sondagen und Kanalfilmaufnahmen konnten die bestehenden Leitungen in den Wänden und Decken lokalisiert werden. Die neuen haustechnischen Installationen wurden bewusst sichtbar und in Steigzonen geführt, so dass die historische Bausubstanz bewahrt werden konnte.
Erschwert wurden die neuen Leitungsführungen durch die teilweise 1.30 m dicken, nicht übereinander liegenden Mauern. Eine weitere Herausforderung waren die beengten Platzverhältnisse in der Lüftungszentrale im Dachstuhl des Turmzimmers. Durch eine schmale Deckenöffnung wurden die Einzelteile der neuen Lüftungsanlage in den Dachraum gehievt und vor Ort auf engstem Raum montiert. Da sich der Standort des Aussenklimagerätes aus Platzgründen zwei Gebäude weiter auf dem dortigen Dach befindet, war eine koordinationsintensive Leitungsführung durch den Dachraum der Nachbarliegenschaft erforderlich.
Denkmalpflege
Der Holländerturm liegt im Schutzperimeter des UNESCO-Weltkulturerbes und ist im Bauinventar als schützenswertes K-Objekt eingestuft – die höchste denkmalpflegerische Schutzstufe. Bereits zu Beginn der Planung wurde die Denkmalpflege in das Bauvorhaben einbezogen. Mittels einer stratigraphischen Untersuchung durch den Restaurator wurden die Farbfassungen analysiert und dokumentiert. Dadurch konnte die ursprüngliche Farbigkeit ermittelt werden. Auf Basis dieser Analyse und einer Farbbemusterung vor Ort konnte gemeinsam mit der Denkmalpflege das neue Farb- und Materialkonzept festgelegt werden. Alle Oberflächen wurden entsprechend dem Befund mit Mineralfarbe und Ölfarbe gestrichen. Bei der Sanierung wurde stets das Ziel verfolgt, sich bei den konzeptionellen und gestalterischen Entscheidungen am Holländerturm als Baudenkmal und an seiner Geschichte zu orientieren.
Christa Hungerbühler
christa.hungerbuehler@grb-architekten.ch
[Text mit Auszügen aus der Literatur: Holländerturm Bern: Die Entstehung der Stadt Bern in Bildern (2012), von Graffenried Holding AG; Benteli Druck AG, Bern-Wabern]